Mit dem Vorkaufsrecht hat der Berechtigte die Möglichkeit, das Grundstück bei einem Verkauf zu erwerben, bevor ein Dritter zum Zug kommt. Für den belasteten Grundeigentümer bedeutet das Vorkaufsrecht allerdings einen einschneidenden Eingriff in sein Eigentumsrecht, da er bei einem Verkauf eingeschränkt ist.
Form
Für die Begründung eines Vorkaufsrechts bedarf es nur eines schriftlichen Vertrags. Ist allerdings der Kaufpreis für das Grundstück im Voraus bestimmt, handelt es sich um ein limitiertes Vorkaufsrecht, und dieses muss öffentlich beurkundet werden. Es kommt auch vor, dass das Vorkaufsrecht zugunsten des Mieters eingeräumt und deshalb in den Mietvertrag integriert wird.
Rechtswirkung
Die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts ist eine obligationenrechtliche Abmachung. Sie begründet also eine persönliche Rechtsbeziehung zwischen dem belasteten Grundeigentümer und dem Vorkaufsberechtigten. Ohne eine anderslautende Vereinbarung ist das Vorkaufsrecht vererblich, aber nicht übertragbar. Der Vorkaufsberechtigte kann das Recht somit nicht einfach an einen Dritten abtreten. Vorkaufsrechte dürfen für höchstens 25 Jahre ab Vertragsabschluss begründet werden.
Vormerkung
Das Vorkaufsrecht kann für die ganze zulässige Dauer im Grundbuch vorgemerkt werden. Durch die Vormerkung wird das persönliche Recht verstärkt. Solche Rechte bezeichnet man als Realobligationen. Wird das Vorkaufsrecht vorgemerkt, erhält es Wirkung gegenüber jedem später erworbenen Recht. Wenn etwa das Grundstück verkauft und das Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird, belastet das Vorkaufsrecht auch den neuen Eigentümer.
Gesetzliche Vorkaufsrechte
Für gewisse Konstellationen hat bereits der Gesetzgeber ein Vorkaufsrecht vorgesehen. So haben beispielsweise die Miteigentümer beim Verkauf eines Miteigentumsanteils an einen Nichtmiteigentümer, also einen Aussenstehenden, ein gesetzliches Vorkaufsrecht. Dasselbe gilt beim selbstständigen und dauernden Baurecht: Hier haben Bodeneigentümer und Inhaber des Baurechts je ein gegenseitiges gesetzliches Vorkaufsrecht. Auch im landwirtschaftlichen Bodenrecht ist zugunsten des Pächters sowie der nahen Verwandten des Veräusserers ein gesetzliches Vorkaufsrecht vorgesehen.
Da die gesetzlichen Vorkaufsrechte von Gesetzes wegen bestehen, können diese nicht im Grundbuch vorgemerkt werden. Sie müssen jedoch bei einer Veräusserung des Grundstücks vom Grundeigentümer sowie von der Urkundsperson (Notar) und dem Grundbuchverwalter berücksichtigt werden.
Stockwerkeigentum
Beim Stockwerkeigentum besteht von Gesetzes wegen kein Vorkaufsrecht. Allerdings kann die Stockwerkeigentümergemeinschaft ein solches beschliessen. In diesem Fall gilt die zeitliche Begrenzung von 25 Jahren nicht. Das Vorkaufsrecht kann für die ganze Dauer des Stockwerkeigentums vereinbart werden. Die Vormerkung wird im Grundbuch mit dem Stichwort «Vorkaufsrecht der Stockwerkeigentümer» eingetragen.
Grundbuchanmeldung
Zur Anmeldung der Vormerkung des Vorkaufsrechts ist der im Grundbuch eingetragene Eigentümer legitimiert, denn es handelt sich um eine Verfügung über das Grundstück. Er kann aber auch den Berechtigten mittels einer Vollmacht mit der Anmeldung beauftragen. So oder anders ist dem Grundbuchamt der Vorkaufrechtsvertrag als Beleg einzureichen.
Vorkaufsfall
Das Vorkaufsrecht kann ausgeübt werden, wenn das belastete Grundstück verkauft wird (sogenannter Vorkaufsfall). Dies gilt auch bei jedem anderen Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt. Bestimmte Veräusserungen bilden aber keinen Vorkaufsfall, beispielsweise die Schenkung, die Erbteilung oder die Enteignung.
Ausübung
Der Berechtigte kann sein Vorkaufsrecht bei einem Vorkaufsfall innerhalb von drei Monaten ab Kenntnis von Abschluss und Inhalt des Kaufvertrags (mit dem Dritten) ausüben, und zwar gegenüber dem Verkäufer. Dieser hat gegenüber dem Grundbuchamt die Bewilligung zu erteilen, dass der Vorkaufsberechtigte als neuer Eigentümer des Grundstücks im Grundbuch eingetragen wird.
Preis
Übt ein Berechtigter sein Vorkaufsrecht aus, hat er die gleichen Bedingungen zu übernehmen, wie sie der Käufer gehabt hätte. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Kaufpreisvereinbarung. Beim limitierten Vorkaufsrecht ist allerdings der Kaufpreis bereits im Voraus festgelegt worden. Dieser ist nun verbindlich, selbst wenn der Kaufvertrag mit dem Dritten einen tieferen Preis als den festgelegten enthält. Konkret: Wurde ein limitiertes Vorkaufsrecht zu einem Preis von Fr. 1 Mio. vereinbart, muss dieser Preis auch dann bezahlt werden, wenn das Grundstück für nur Fr. 900 000.– verkauft würde.
Löschung
Das Vorkaufsrecht wird im Grundbuch gelöscht, wenn es ausgeübt wird oder wenn das Recht zeitlich abgelaufen ist. Zudem kann der Berechtigte jederzeit schriftlich auf das Vorkaufsrecht verzichten und diesen Verzicht beim Grundbuchamt anmelden.
Empfehlung
Ein Vorkaufsrecht stellt gewissermassen eine Verfügungsbeschränkung für einen Grundeigentümer dar. Es empfiehlt sich daher, bei einem Verkauf sämtliche Abklärungen hinsichtlich des Vorkaufsrechts vor der Grundbuchanmeldung gewissenhaft vorzunehmen. Wird dies nicht befolgt, muss damit gerechnet werden, dass der Berechtigte sein Recht erfolgreich vor Gericht geltend macht.
ROLAND PFÄFFLI Prof. Dr. iur., Notar, Thun Konsulent bei Von Graffenried Recht, Bern
MASCHA SANTSCHI KALLAY Dr. iur., Rechtsanwältin, Meggen Konsulentin bei epartners Rechtsanwälte AG, Zürich